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Lutz Weidler: Das
Weltmodell als ästhetischer Entwurf
Weltmodelle" nennt der Bildhauer Lutz Weidler seine quadratischen,
reliefartigen Wandobjekte: Ausschnitte, Blicke auf die Welt, wahrgenommen
aus der Vogelperspektive. Dabei handelt es sich nicht, wie der erste flüchtige
Blick des Betrachters vermuten könnte, um mimetische Darstellungen
von Naturlandschaften, wie man sie z. B. im Internet findet. Derartiges
ist allenfalls ein möglicher Ausgangspunkt einer Arbeit. Weidler
modelliert nicht im Sinne von nachbilden sondern von Form
schaffen; er erfindet neue, eigene Bildwelten.
Dabei ist sein Blick auf die Welt stets ambivalent; er ist gleichzeitig
der des wissenschaftlich Forschenden und der eines Magiers.
Während der eine die Welt seziert und analysiert um exakte Wahrheiten
darzustellen, ist der andere eher bemüht die Dinge zu verrätseln,
ihnen ihre Geheimnisse nicht zu entreißen, sondern die ihnen innewohnenden
Kräfte in der Phantasie (auch der des Betrachters) wirksam werden
zu lassen. In diesem Punkt folgt der Bildhauer ganz der Tradition der
Surrealisten, die wie Andre Breton ... den Glauben an die höhere
Wirklichkeit gewisser, bis heute vernachlässigter Assoziationsformen,
an die Allgewalt des Traums. an das absichtslose Spiel des Gedankens..."*
beschwören.
Spielerisch collagiert Weidler reale und fiktionale Elemente, vermittels
verschiedener Materialien, Farben und Formen zu einer Art plastischen
Momentaufnahme eines kleinen möglichen Ausschnitts von Welt.
Fasziniert von der handwerklichen Präzision und irritiert durch die
Maßstabslosigkeit der Modelle werden im Betrachter eigene Assoziationen
und Erfahrungen wachgerufen.
Wie der Blick von oben unsere Wahrnehmung verändert, wie Menschen,
Dinge, Häuser Städte, Landschaften mit größer
werdendem Abstand abstrakter werden und an Bedeutung verlieren, haben
wir vielleicht während einer Reise mit dem Flugzeug selbst erfahren.
Wenn dann, oberhalb der Wolken sich Landschaften und Meere unserem Blick
entziehen, rückt die Erkenntnis in unser Bewusstsein, dass unser
Planet Erde nur einer von unzähligen Gestirnen im All ist, und die
Bedeutung unserer eigenen Existenz wird relativ.... Gegen Ende des Flugs
sind wir dann froh, den Dingen wieder näher zu kommen. Wir entdecken
Wege, Spuren in der Landschaft: Tier oder Menschenspuren? Laufen sie auf
einen bestimmten Punkt hin? Was könnte dort sein? ....Wir sind froh
und erleichtert in einen erlebbaren Maßstab zurückzukehren.
Wie bereits an anderer Stelle angesprochen, dokumentiert jeder einzelne
Ausschnitt den Zustand eines bestimmten Moments. Indem Weidler einzelne
Motive immer wieder variiert, betont er die Prozeßhaftigkeit und
Unabgeschlossenheit seines künstlerischen Schaffens und verweist
auf einer anderen Sinnebene auf die Veränderlichkeit und Uneindeutigkeit
dessen was wir wahrzunehmen glauben.
* Zit. Andre Breton, Manifeste du Surrealisme
Marion Koenen-Ronkholz
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